ARTISTE ÉTOILE: STEPHAN EICHER
The Kruger Brothers
Reyn Ouwehand
Martin Suter
Swiss Orchestra
Lena-Lisa Wüstendörfer, Leitung
«The Bash» wagt den Brückenschlag zwischen klassischer Musik und Pop: Die Bühne teilen sich an diesen beiden einmaligen Abenden Stephan Eicher, The Kruger Brothers, Martin Suter, Reyn Ouwehand und das Swiss Orchestra unter der Leitung von Lena-Lisa Wüstendörfer.
—Ja, seid ihr jetzt verrückt geworden? Diese Frage lassen wir uns diesmal gerne gefallen! Denn etwas verwegen mutet es schon an, Stephan Eicher – eine der vielseitigsten und aufregendsten Musikerpersönlichkeiten der Schweiz –, die Kruger Brothers – zwei Aargauer Brüder, die auszogen, um die Welt mit nordamerikanischer Folkmusik zu bespielen –, Martin Suter – Popstar unter den eidgenössischen Schriftstellern – sowie das von Lena-Lisa Wüstendörfer geleitete Swiss Orchestra gemeinsam auf eine Bühne loszulassen. Was dabei herausgekommen ist? Zwei inspirierende Konzertabende voller Überraschungen, Kreativität und einer angemessenen Portion Wahnwitz.
The Bash – gleichermassen Party, Versuchslabor und Zusammenstoss – ist neben den Goethe Tagen Andermatt das zweite von ANDERMATT MUSIC organisierte und gestaltete Festival: Es steht für Innovation sowie Offenheit und wagt den Brückenschlag zwischen klassischer Musik und Pop. The Bash ist eine Experimentierfläche und bietet Raum für Entdeckungen – das Ergebnis: nicht Popmusik, die durch ein paar Streichinstrumente ergänzt wird, sondern die exzentrisch-aufregende Summe verschiedener Welten.
Die beiden Konzertabende bestehen aus zwei unterschiedlichen Programmen, die als Gesamtkunstwerk konzipiert wurden, die aber auch einzeln gebucht und besucht werden können.
TIEF IM GOTTHARD
von MARTIN SUTER
Es ist nicht leicht, für eine Band und ein ganzes Sinfonieorchester ein Probelokal zu finden.
Die Übungslokalsuchtruppe fand nach Wochen das Geeignete auf dem Gotthard. Besser gesagt, in diesem. Das Gotthardmassiv ist ja eine gigantische Festung, eine unterirdische Schweiz. In einer dieser Festungsanlagen mieteten sich Band und Orchester ein.
Der Eingang befand sich in einer unscheinbaren Alphütte. Ihre Fassade liess sich aufklappen wie ein Garagentor, dahinter ein gepanzertes Schiebetor, dessen Hydraulik unter der mangelhaften Wartung litt und unangenehm quietschte.
Vorbei an einem ausgedienten Festungsgeschütz ging es durch einen kurzen Tunnel zu einem Saal, der früher als Mannschaftskantine und Theoriesaal benutzt worden war. Ideal, wenn man von der Vorkriegslüftungsanlage absah, die während der Pianissimo-Passagen etwas störte.
In dieser Festung verbrachten das Swiss Orchestra und seine Dirigentin, Lena-Lisa Wüstendörfer, Stephan Eicher und seine Band plus die Kruger Brothers, die Techniker und Roadies, die Köchin und die Küchenmannschaft und ein Schriftsteller für das Textliche, eine dreiwöchige Probeklausur. Von der Aussenwelt abgeschnitten, ausser während der täglichen Stunde Freigang auf der Alp.
Bei einem solchen Freigang kam der diensthabende Schriftsteller, Martin Suter, abhanden. Die Luft war so frisch, der Himmel so türkis, die Sonne so diamanten, dass er einfach dem nächsten dünnen Kuhpfad folgte und tief in Gedanken an woanders immer weiterstieg. Er bemerkte nicht, wie schnelle, wütende Wolken alles Frische, Weisse, Türkise und Diamantene erstickten. Erst als ihn schwere, kalte Tropfen trafen und eine eisige Böe an seiner Krawatte zerrte, erwachte er in der Wirklichkeit und begann, den Pfad hinunterzubalancieren.
Zweimal teilte sich die Spur, zweimal wählte er die falsche. Als er endlich die Alphütte erreichte, war die Freigangstunde längst vorüber. Er klopfte an die Tür und an die geschlossenen Fensterläden, zuerst schüchtern, dann verzweifelt, dann resigniert. Niemand hörte ihn durch die gepanzerte Tür hinter der gefälschten Fassade.
Er setzte sich schlotternd auf die Scheitstock-Attrappe.
Im Proberaum kamen sie an die Stelle, an der Martin Suter eine der Geschichten über die Entstehung des nächsten Songs erzählen sollte. Aber dort, wo er das tun sollte, beleuchtete der Scheinwerfer nur einen leeren Hocker und ein Tischchen mit ein paar Manuskriptblättern und einer Mundharmonika.
Kurz darauf hörte Suter das Quietschen der Schiebetor-Hydraulik und stieg steif von der Scheitstock-Attrappe. Die Fassade hob sich und Stephan Eicher, die Band und das ganze Sinfonieorchester standen vor ihm.
Eicher nahm ihn bei der Hand und sagte: «Chum a Schärme.»
Fünf Tage kurierte Martin Suter im schmalen Bett in einem der Zwölferzimmer seine Erkältung aus. Dort entstand der Text zu «Am Schärme».
Der gefiel allen so gut, dass, als er sich wieder genesen verabschiedete, Stephan Eicher ihn bat: «Blib no chli.»
So ist «Blib no chli» entstanden.
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